SIL-4-System zur sicheren Trennung und Erdung von Bahn-Oberleitungen 

Maximale Sicherheit für italienische Hochgeschwindigkeitszugtunnel

Unterirdische Bauwerke durch Berge und Hügel gehören zu den faszinierendsten Konstrukten menschlicher Ingenieurskunst. Doch ihr Betrieb ist nicht ohne Gefahren. Daher gehört dem sicheren Betrieb von Tunneln ein besonderes Augenmerk. Neue Systeme zur sicheren elektrischen Trennung der Oberleitungen und ihrer Erdung schaffen ein neues Sicherheitsniveau in der Instandsetzung von Tunneln und bei  Notfällen, wie dieses italienische Beispiel zeigt. 

Italien ist das Land der Tunnel, insbesondere im Schienenverkehr. Von den fast 16.800 Kilometern Gleisen in Italien sind rund 12.200 Kilometer elektrifiziert und insgesamt verlaufen etwa 1.500 Kilometer durch Tunnel wie dem Aspromonte-Gebirge, dem Apennin oder den Alpen. Italien betreibt somit das mit Abstand längste Eisenbahntunnelnetz in Europa. Die wichtigsten sind schon viele Jahre alt, wie der der Simplontunnel (1906) in den Alpen mit einer Länge von 19,8 km und der 1871 erbaute 8,6 Kilometer lange Mont-Cenis-Tunnel. Doch es kommen stetig neue unterirdische Verbindungen hinzu, wie der Brenner-Basistunnel mit einer Länge von 64 Kilometern. Diese neue Schlagader ist für die Fertigstellung im Jahr 2028 und Inbetriebnahme in 2035 vorgesehen. 

 

Europäische Vorschriften schreiben Erdung vor

Eines betrifft die jungen, wie die alten Strecken gleichermaßen: Bestehende und zukünftige Tunnel unterliegen europäischem Recht.

Die „Technische Spezifikation für die Interoperabilität (TSI) in Bezug auf Sicherheit in Eisenbahntunneln (SRT)“ soll als technische Spezifikation für die Interoperabilität im europäischen Fernverkehr gleiche Standards in europäischen Eisenbahntunneln erreichen. Sie wurde 2008 von der Europäischen Union erstellt und 2019 aktualisiert.

Sie formuliert die technischen Anforderungen an Eisenbahntunnel zur Gewährleistung der Sicherheit von Fahrgästen und Personal. Die Spezifikation umfasst die Kommunikations- und Signalsysteme sowie die Evakuierungsverfahren im Notfall und legt Anforderungen und Verfahren für die Planung, den Bau und die Instandhaltung von Eisenbahntunneln fest. 

STES, das sichere Erdungssystem

Es gibt verschiedene Arten von Erdungssystemen, die in elektrischen Installationen verwendet werden. Während die Noterdung von Tunneln früher mechanisch betrieben wurde, sind integrierte automatische Systeme heute Stand der Technik. Der neue Ansatz besteht darin, entsprechende Trennschalter und damit die Erdung der Oberleitung im Tunnel zu steuern. 

Eine solche automatische und ferngesteuerte Erdungskontrolle namens STES (Sottosistema Trazione Elettrica di Sicurezza) wurde von Mont-ELE in Italien entwickelt. Mit seinem Railway Energy System bietet der Hersteller von elektromechanischen, elektronischen und automatisierten Systemen die Möglichkeit, Oberleitungen von Eisenbahnstrecken auf zentral gesteuerte Weise sicher zu trennen und zu erden, und das auf Sicherheitsintegritätslevel vier (SIL 4) – ein lebensrettendes Sicherheitssystem, insbesondere in Tunneln.

Erster Einsatz im Hochgeschwindigkeitstunnel

Das STES-System kann von einem Fernsteuerungszentrum und einer vor Ort installierten Steuer- und Anzeigeeinheit betrieben werden. Mont-ELE hat das erste System im italienischen Hochgeschwindigkeitszugtunnel „Galleria Ceraino“ in der Nähe des Gardasees installiert, auf der Strecke von Verona nach Brenner. Diese Installation in dem 4 km langen Tunnel hat für den Betreiber der italienischen Bahngesellschaft RFI einen Referenzcharakter.

„Wir sind als Partner der Betreibergesellschaften bestrebt, zu einem sicheren und wirtschaftlichen Betrieb der Bahnen und Infrastruktur beizutragen. Neben der höchsten Sicherheit gehört für uns auch die Optimierung der Abläufe beispielsweise bei der Wartung oder Instandsetzung dazu“, sagt Andrea Vigano, Projektingenieur bei Mont-ELE. Als zentrales Element verhindert das weitgehend automatisierte STES-System sicher menschliches Versagen und verringert zeitraubende Tätigkeiten vor Ort.

Der Betreiber profitiert nicht nur im Notfall von einem automatischen Sicherungssystem, sondern auch bei regelmäßig vorkommenden Wartungs- oder Instandsetzungsarbeiten ist das digitale System von großem Vorteil: „Während bei unseren Kunden früher manuelle Eingriffe an jedem Tunneleingang und bei jeder Stromleitung einzeln notwendig waren, erledigt unser System die Trennung und Erdung nun auf Knopfdruck bzw. auf Schlüsseldreh“ ergänzt Vigano. Die redundante und selbst-überwachende Technik speichert im SCADA sämtliche historische Vorgänge und bietet über die Nutzeroberfläche Zugriff auf Diagnose-, Berechtigungs- und Zustandsinformationen. 

  

  • Maximale Sicherheit und Verfügbarkeit für Tunnel mit SIL-4 zertifizierten Systemen nach CENELEC
  • HIMA_Offen
    Einfache Integration von HIMatrix-Controllern und flexible Anpassung an Kundenwünsche
  • Integrierte automatische Systeme für die Noterdung von Tunneln sind heute Stand der Technik
  • HIMatrix F30-Steuerung in der QS-Schnittstelle zur sicheren Übertragung von Statusinformationen an andere Komponenten

Sichere Prozesse bis zu SIL 4 zertifiziert

Die schnelle Sicherheitserdung für Oberleitungen von Mont-ELE ist für unterschiedliche Stufen erhältlich. Neben einer Standardkonfiguration ohne SIL-Anforderung (Safety Integrity Level) stehen zwei sichere Konfigurationen zur Wahl: 

·         SIL-3-zertifiziert nach IEC 61508, IEC 61511

·         SIL-4-zertifiziert nach EN 50126, EN 5128, EN 5012

 Damit die Bahnkunden nicht an teure, proprietäre Sicherheitssteuerungen gebunden sind, nutzt Mont-ELE für seine zentralen Sicherheitsfunktionen des STES-Systems die Commercial-off-the-Shelf-Lösungen von HIMA. Ab Werk erfüllen die HIMatrix-Steuerungen alle Safety- und Security-Normen und sind für SIL 4 nach CENELEC zugelassen. Und die Steuerungen sind schnell: Die Architektur hinter HIMatrix ermöglichen Reaktionszeiten, die deutlich unter zehn Millisekunden liegen.


"„Wir sind als Partner der Betreibergesellschaften bestrebt, zu einem sicheren und wirtschaftlichen Betrieb der Bahnen und Infrastruktur beizutragen. Neben der höchsten Sicherheit gehört für uns auch die Optimierung der Abläufe beispielsweise bei der Wartung oder Instandsetzung dazu.“

Andrea Viganò, Projektingenieur bei Mont-ELE


„Neben der SIL 4-Zertifizierung war ein wichtiges Entscheidungskriterium für uns, auf die HIMA-Automationstechnologie zu setzen, dass sich die HIMatrix-Controller leicht in unsere Systeme integrieren und flexibel an die Anforderungen der Kunden anpassen lassen“, erläutert Vigano. Diese Flexibilität drückt sich in unterschiedlichen Modulgrößen und -umfängen aus – und in der Option, zahlreiche bewährte industrielle Netzwerkprotokolle nutzen zu können. HIMatrix werden mit dem Engineering-Tool SILworX per Drag-and-drop intuitiv programmiert und konfiguriert.

In der „Galleria Ceraino“ eingebaute Erdungs-Trennschalter nutzen die HIMatrix-F30-Steuerungen im QS-Interface. Über diesen Weg werden die Informationen über den sicheren Zustand über das redundant aufgebaute Glasfasernetzwerk an die anderen Komponenten im System weiter gegeben. Auf diese Weise ist das Bedienpersonal vor Ort und in der Leitwarte zu jeder Zeit über den Zustand der elektrischen Anlage informiert.

Alle Komponenten des integrierten automatischen Systems wurden vom italienischen Eisenbahninfrastrukturbetreiber (RFI) genehmigt und sind nach CENELEC SIL4 gemäß den STES-Anforderungen für die Steuerung von Tunnel-Fernerdungsanlagen zertifiziert. Daher wird aller Wahrscheinlichkeit nach die Galleria Ceraino nicht der letzte Tunnel bleiben, der mit einer automatischen Sicherheitserdung arbeitet.   


Pictures:

Header image:  courtesy of Eugenio Merzagora (www.structurae.de)

Mont-Ele Srl. Italy

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